Ein ungeheuerlicher Angriff auf demokratisch gewählte Bürgervertreter

Erklärung des Arbeitskreis Umwelt und Frieden (AUF) AKK zum Ausschluss von Irmi Jungels und Ronny Maritzen aus der Ortsbeiratssitzung in Kastel

Am 15. September 2020 wurden in der Sitzung des Orts­bei­rates Mainz-Kastel Irmi Jungels und Ronny Maritzen – beide gehören der AUF-Frak­tion an – beim Punkt „Entwick­lungs­sat­zung zum städ­te­bau­li­chen Entwick­lungs­be­reich Ostfeld“, gemeinsam aufge­rufen mit „Lärm­gut­achten zum Ostfeld,“ aus der Sitzung ausge­schlossen. Sie durften weder an der Diskus­sion noch an der Abstim­mung über das in Kastel umstrit­tene Projekt teil­nehmen und mussten den Raum verlassen.

Über den Ausschluss der beiden gewählten Beirats­mit­glieder entschied der Orts­beirat. Er schloss sich mit knapper Mehr­heit der Sicht­weise des Rechts­amtes der Stadt Wies­baden vom 3. September 2020 an, das sich mit einem mögli­chen „Wider­streit der Inter­essen“ nach § 25 HGO von Ronny Maritzen befasste. Irmi Jungels lag zu einem mögli­chen Inter­es­sen­kon­flikt nichts vor: Weder von Seiten des Rechts­amtes noch von anderer offi­zi­eller Seite.

Hierzu erklärt der Arbeits­kreis Umwelt und Frieden (AUF) AKK:

Ronny Maritzen und Irmi Jungels wohnen am Fort Biehler in Kastel, einem Wohn­ge­biet, das an das geplante Bauge­biet ledig­lich angrenzt. Wie von der Stadt Wies­baden immer wieder versi­chert wurde, haben die Bewohner dieser Sied­lung keinerlei Konse­quenzen wie zum Beispiel Umsied­lung oder Enteig­nung zu befürchten. Sie sind von den Baumaß­nahmen nicht betroffen.

Ronny Maritzen und Irmi Jungels haben keinen Grund­be­sitz in dem frag­li­chen Gebiet, sie sind Pächter bzw. Mieter. Auch ein mögli­cher Werte­ver­lust oder Werte­ge­winn der dortigen Immo­bi­lien berührt sie nicht, sie haben also keine finan­zi­ellen Vor- oder Nachteile.

Die Hessi­sche Gemein­de­ord­nung spricht von einem „unmit­tel­baren Vor- oder Nach­teil“, der für einen Inter­es­sen­kon­flikt vorliegen muss. Wo soll der denn sein?

Der Vorwurf kann nur als völlig konstru­iert bezeichnet werden.

Sowohl Ronny Maritzen als auch Irmi Jungels gehören bekann­ter­maßen zu den Kriti­kern des neuen Stadt­teils. Es ist offen­sicht­lich, dass einzig diese Gegner­schaft zum Bauvor­haben Ostfeld der Grund dafür ist, dass sie aus der Sitzung des Orts­bei­rates ausge­schlossen wurden. Oder: Glaubt jemand allen Ernstes, es wäre zu einem Ausschluss gekommen, wenn die beiden Beirats­mit­glieder das Projekt Ostfeld befür­wortet hätten?

Der gesamte Vorgang ist ein unge­heu­er­li­cher Angriff auf demo­kra­tisch gewählte Bürger­ver­treter, aber auch auf den Orts­beirat, der seiner Aufgabe als Inter­es­sen­ver­tre­tung des Stadt­teils so nicht mehr nach­kommen kann.

Das Motiv: Ein umstrit­tenes Projekt soll um jeden Preis durch­ge­setzt werden. Ganz offen­sicht­lich musste die Mehr­heit für das Projekt Ostfeld im Orts­beirat Kastel gesi­chert werden. Das Abstim­mungs­er­gebnis war knapp. Ledig­lich sechs (von vier­zehn anwe­senden) Vertre­tern stimmten für den neuen Stadtteil.

Dagegen stimmten die zwei verblie­benen Mitglieder der AUF-Frak­tion und ein frak­ti­ons­loses Mitglied (ehem. SPD). Zwei FDP-Vertreter und ein CDU-Vertreter äußerten sich sehr kritisch und enthielten sich der Stimme. Das sind sechs Stimmen, die das Projekt nicht durch­winken wollten.

Hätten die Ostfeld-Gegner Maritzen und Jungels mitdis­ku­tieren und mitstimmen dürfen, das sind erst einmal zwei Gegen­stimmen mehr – hätte das etwas geän­dert? Hätte eine der Enthal­tungen sich viel­leicht davon über­zeugen lassen, dagegen zu stimmen? Das weiß man nicht – aber man hat es wohl befürchtet. Wer da auf Nummer Sicher gehen will, schaltet einfach zwei Gegen­stimmen aus.

Dass sich der Kasteler Orts­beirat in seiner Mehr­heit dafür hat instru­men­ta­li­sieren lassen, ist bedauerlich.

Kriti­sche Parla­men­ta­rier rechts­widrig ausschalten und dabei auch vor schwer­wie­genden persön­li­chen Angriffen nicht zurück­schre­cken – das sind Methoden, wie man sie aus einer demo­kra­ti­schen Ordnung nicht kennt.

Die gesamte Vorge­hens­weise, die zu diesem Ausschluss geführt hat, ist undurch­sichtig, recht­lich frag­würdig und unverfroren:

Ronny Maritzen, der auch Stadt­ver­ord­neter und Vorsit­zender des Umwelt­aus­schusses in Wies­baden ist, muss sich nun schon seit einein­halb Jahren mit dem Vorwurf, es gehe ihm um „persön­liche Inter­essen“, ausein­an­der­setzen. Bemer­kens­wert ist, dass die Initia­tive hierfür auf den ehema­ligen Ober­bür­ger­meister und Ostfeld-Verfechter Sven Gerich zurück­geht – er ist mitt­ler­weile rechts­kräftig wegen persön­li­cher Vorteil­nahme verur­teilt und wahr­lich ein Fach­mann, wenn es um die Beur­tei­lung persön­li­cher Inter­essen geht. Wie skru­pellos in Wies­baden, schon bundes­weit bekannt als Filz­baden, persön­liche Inter­essen verfolgt werden, lässt sich in dem Buch „Die Unver­fro­renen. Wie Poli­tiker unsere Städte als Beute nehmen“ des Jour­na­listen Ewald Hetrodt nachlesen.

Während es Ronny Maritzen immerhin seit langem bekannt ist, dass versucht wird, ihn poli­tisch zu beschä­digen und als Umwelt­aus­schuss­vor­sit­zenden zu demon­tieren, wurde Irmi Jungels über­rascht: Sie erfuhr einen Tag vor der Orts­bei­rats­sit­zung von einem Pres­se­ver­treter, dass ihr der Ausschluss aus der Sitzung droht. Schrift­lich lag ihr dazu nichts vor. Sie hatte keine Möglich­keit, sich anwalt­lich beraten zu lassen. Es wurde ihr auch in der Sitzung selbst keine Gele­gen­heit gegeben, begründet Stel­lung zum Vorwurf des Inter­es­sen­wi­der­streits zu nehmen. Eine vorbe­rei­tete Erklä­rung konnte sie nicht verlesen, sie musste den Sitzungs­saal verlassen.

Es stellt sich die Frage, was das Vorgehen gegen Ronny Maritzen und Irmi Jungels für die Zukunft der parla­men­ta­ri­schen Arbeit in Wies­baden bedeutet.

Dürfen Stadt­ver­ord­nete, die an der Strecke der geplanten City-Bahn wohnen, noch abstimmen? Oder werden die gleich aus der Bera­tung genommen? Dürfen Orts­bei­rats­mit­glieder noch über Einbahn­straßen abstimmen – wenn sie in der frag­li­chen Straße wohnen? Dürfen gewählte Vertreter noch über klima­re­le­vante Projekte disku­tieren – oder liegen da Inter­es­sen­kon­flikte vor, weil ihnen nachts viel­leicht zu heiß ist? Es ist absurd.

Und es ist nicht vorstellbar, dass der Ausschluss der beiden Beirats­mit­glieder einer gericht­li­chen Prüfung stand­halten wird. Dem Miss­brauch der HGO wäre damit Tür und Tor geöffnet: Jeder­zeit ließen sich miss­lie­bige Parla­ments- und Gremi­en­ver­treter aus Bera­tungen und Abstim­mungen entfernen.

Der AUF AKK begrüßt, dass sich Ronny Maritzen und Irmi Jungels nun juris­tisch zur Wehr setzen. Ob dieser rechts­widrig zustande gekom­mene Beschluss des Orts­bei­rates wirksam ist, wird dabei auch zu klären sein.

für den Vorstand des AUF AKK: Philipp Pfefferkorn

2 Gedanken zu „Ein ungeheuerlicher Angriff auf demokratisch gewählte Bürgervertreter“

  1. Es ist skan­dalös wie unsere Vertreter ausge­schaltet wurden.
    Dies ist ganz offen­sicht­lich dikta­to­ri­sches Verhalten!

  2. Ich bin selbst Orts­bei­rats­mit­glied Mainz-Ober­stadt und Mainzer Stadt­rats­mit­glied der ÒDP….wenn ich das lese wird es mir richtig schlecht! Kriti­sche Stimmen zu einem solchen wich­tigem Thema aus der Sitzung zu entfernen schreit zum Himmel. Das ist die offen­sicht­liche Aushe­be­lung demo­kra­ti­scher Grund­werte!!! Wãhret den Anfãngen. Meinen die Sie kònnen sich alles erlauben? Und wo bleibt die Eigen­ver­ant­wor­tung, das kriti­sche und verant­wor­tungs­volle Denken und Handeln der gewãhlten Vertre­te­rInnen? Die sollten sich was schãmen, machen sich zu Mario­netten… Kein Ostfeld, die Wãlder sterben, drama­ti­sches Bienen und Insek­ten­sterben, Überhitzung…Wasserpobleme usw… Und die stimmen für ein Projekt welches über 100 000 Menschen unmit­telbar negativ treffen wird taurig traurig traurig

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